Workshops

Gerechtigkeit weltweit - ein weiterer Workshop mit Christina Pauls

Gräfelfing 2022, ein grauer Januarnachmittag, in der Bibliothek des KHG: zwanzig Schüler:innen der Tansania-AG sitzen im Kreis um eine große Plane, auf der die Weltkarte abgebildet ist. Aber es ist eine ungewöhnliche Weltkarte - es ist die Peters-Projektion. Diese Peters-Projektion bildet, anders als die uns geläufige Mercator-Projektion, die Flächen der Kontinente und Länder maßstabsgetreu ab. Denn auf den Weltkarten in beispielsweise unseren Schulatlanten stimmen zwar die Winkel und Achsen, jedoch führt das dazu, dass Länder des Globalen Nordens im Verhältnis deutlich größer abgebildet sind als Länder des Globalen Südens.

Diese 3m x 5m Plane hat uns unsere Workshopleiterin, die BtE-Referentin Christina Pauls, mitgebracht. Seit zwei Jahren begleitet sie unsere Partnerschaft mit Emmaberg, vor allem unsere kritische Auseinandersetzung mit Rassismus und Kolonialismus. Im Dezember 2019 hatten wir älteren Tansania AG Mitglieder mit ihr eine Workshop-Reihe zu diesen Themen begonnen, im Oktober 2021 dann eine zweite Workshop-Reihe für die jüngeren und neuen AG-Mitglieder. Ein Treffen dieser zweiten Workshop-Reihe war es also, das uns an jenem Freitagnachmittag in die Bibliothek des KHG geführt hat.
Es ging neben einem Gespräch über die verschiedenen Projektionen der Weltkarte vor allem um die Frage, wie gerecht unsere Welt ist und wie eine gerechtere Welt aussehen könnte. Dazu haben wir symbolisch verschiedene Güter auf der Weltkarte verteilt. Zuerst sollten wir schätzen und mithilfe von Stühlen, die je 10% des gesamten weltweiten Vermögens symbolisierten, darstellen, wie wohl das Vermögen (Bruttosozialeinkommen) in der Welt verteilt ist. Anschließend folgte die teils sehr erschreckende „Auflösung“ durch Christina Pauls. Das gleiche haben wir im Anschluss auch mit Büchern (als Symbol für die Bevölkerung), mit Luftballons (als Symbol für den CO2-Ausstoß) und Menschen (als Symbol für Flüchtlinge) gemacht.
Schüler:innen berichten über ihre Gedanken und die Gespräche, die wir im Anschluss darüber hatten:

„Nach Aufbauen unseres „Weltbildes“ wurde mir klar, wie ungerecht die Welt ist. Niemand kann etwas dafür, wo er geboren ist. Ich habe nichts dafür getan, dass ich in Deutschland geboren bin, in einer Familie mit genug Einkommen, und jemand anderes kann nichts dafür, in einem Entwicklungsland geboren zu sein. Geld macht nicht automatisch glücklich, aber Geld bietet Chancen.
Die Weltwirtschaft ist ungerecht. Länder wie Tansania oder Nigeria werden auch in den nächsten Jahrzehnten nicht zu dem aufsteigen, was Deutschland heute ist. Afrika wird auch in hundert Jahren nicht das Geld haben, das Europa heute hat. Ein nigerianisches Mädchen wird auch dann nicht die Chancen haben, die ich in die Wiege gelegt bekomme.
Ist das fair?“

„Es war echt beeindruckend und erschreckend konkret vor Augen geführt zu bekommen, wie ungerecht unsere Welt eigentlich ist. Das hat mich sehr zum Nachdenken angeregt.“

„Wir haben darüber gesprochen, dass es nicht gut ist, dass das Geld so ungleich verteilt ist und es auch einen so großen CO2-Ausstoß in den reichen Ländern gibt. Und da, wo das Geld gebraucht wird, ist es nicht vorhanden, da haben es andere weggenommen.“

„Es war sicher der zehnte Workshop, den ich mit Christina Pauls zu dem Thema gemacht habe, aber jedes Mal ist wieder etwas Neues dabei, jedes Mal lerne ich etwas dazu und jedes Mal bin ich danach noch überzeugter davon, dass wir diese Welt ändern müssen - aber gemeinsam auch können.“

„Ich fand den Workshop mal wieder sehr interessant. Bis jetzt habe ich vor allem an den Workshops mit älteren AG Mitgliedern teilgenommen und war jetzt erstmals bei einem Workshop dabei, wo auch die Jüngeren waren, und ich fand es sehr schön zu sehen, wie interessiert auch jüngere Schüler:innen schon an diesen komplexen Themen waren. Die veranschaulichende Methode mit der Weltkarte hat mir auch sehr gut gefallen! Dadurch hat man alle Verteilungen noch einmal auf eine ganz neue und auch klarere Weise gesehen.“

Zum Schluss durften wir die verwendeten Materialien gerecht auf der Weltkarte verteilen, so, wie wir es uns wünschen würden.
Ein weiteres Mal ein toller Workshop, dessen Inhalte zwar teilweise erschreckend waren, jedoch war die Auseinandersetzung damit und der Dialog darüber genauso bewegend, zum Nachdenken anregend und inspirierend, sich weiter für eine gerechte Welt einzusetzen.

Pauline, Clara, Maren, Konstantin und Ester aus der 6.-12. Jahrgangsstufe


 

Mehr als ein Jahr Workshops

Schon im Dezember 2019 hat unsere Workshop-Reihe mit der BtE Referentin Christina Pauls gestartet - und jetzt, weit mehr als ein Jahr später, sind wir noch immer nicht fertig mit all den Themen, die mit Rassismus, Kritischem Weißsein und Kolonialismus zu tun haben. Da ist noch so viel, was es zu wissen, zu erfahren, zu verstehen und zu diskutieren gibt, so viel, was uns noch beschäftigt und interessiert. Es war ein beeindruckendes Jahr, das uns alle bewegt und verändert hat.

Unsere Referentin hat mal das Bild des Tauchens verwendet für das Reden über solche Themen: je tiefer man taucht, desto schwieriger wird es. Diese Wasser der Erkenntnis sind tief. Es gibt so viel zu wissen, zu erfahren, so viel, worüber man erschrecken, sich aufregen und staunen kann. Manchmal waren und sind diese Wasser sogar so tief, dass man das Gefühl hat, nicht mehr zu wissen, wo oben und unten ist. Das ist ein beängstigendes Gefühl, aber auch ein befreiendes. Wenn man erkennt, dass man das Gegebene nicht als „so muss es immer bleiben“ hinnehmen muss. Wenn man merkt, wie viel in unserer Gesellschaft Konstrukt unserer Gedanken und Vorurteile ist oder wie verwurzelt wir doch alle eigentlich in diesem System sind, ja, auch in diesem strukturellen Rassismus.

Aber zugleich waren wir nie alleine mit diesen Themen, und das hat so viel Mut und Hoffnung gemacht. Zu wissen, dass wir nicht alleine mit all diesen Gedanken und Sorgen und Gefühlen sind, die daraus resultieren, zu wissen, dass wir nicht alleine vor diesen Aufgaben stehen, die sich daraus ergeben. Und Hoffnung darauf, dass eine gerechtere Welt möglich ist, wenn nur genügend Leute daran glauben und sich dafür einsetzen.

Inzwischen haben wir die Workshop Reihe offiziell abgeschlossen, arbeiten also nicht mehr inhaltlich weiter an den Themen – damit würden wir wohl nie fertig werden –, sondern versuchen die Inhalte nun weiterzutragen und umzusetzen. Dafür haben wir uns einen Leitfaden mit dem Tool „Heads Up“ erstellen: HEADS UP ist ein Akronym, das für sieben Denk- und Beziehungsmuster steht, welche wir ablegen wollen. So haben wir zu jedem Wort Beispiele gesammelt und was wir tun können, um diese Muster abzulegen – vor allem in Bezug auf unsere Partnerschaft mit Emmaberg. Das reicht von dem Weitertragen der Inhalte unserer Workshop-Reihe in die gesamte Tansania AG und die Schulfamilie über das Bild, das wir von unserer Partnerschaft nach außen hin zeichnen, bis hin zu Änderungen in unserem Sprachgebrauch.

All das besprechen wir weiterhin etwa einmal im Monat mit unserer Referentin Christina Pauls in unseren „Reflexionstreffen“, wo wir, wie der Name schon sagt, unsere Umsetzung der Themen reflektieren und koordinieren.

Es ist ein weiter Weg, auf den wir uns im Dezember 2019 begeben haben, weiter, als wir uns damals vorgestellt haben. Aber mit jedem Schritt lernen wir dazu, sehen, wie wichtig es ist, diesen Weg zu gehen, und machen unsere Welt ein klitzekleines Stückchen gerechter.

Maren Mitterer


Quelle: Gesturing Towards Decolonial Futures (decolonialfutures.net)
 

Deutsche Kolonialverbrechen: Vierter Workshop zu Rassismus und Kolonialismus

Das letzte Schuljahr war in der Tansania AG sehr vom Thema Kolonialismus, kritisches Weißsein, Privilegien und Rassismus geprägt. Dies empfanden wir als sehr gewinnbringend und bereichernd. Deshalb planten wir, uns auch dieses Jahr, begleitet von der BtE Referentin Christina Pauls, weiter in diesem überaus wichtigen Themengebiet voranzuwagen. Unser Workshop Ende Oktober, welcher wegen Corona wieder als Webinar stattfand, gab dafür den Startschuss. 

Auch diesmal gestaltete Christina das Online-Seminar sehr spannend und interaktiv, indem wir beispielsweise durch ein Positionsbarometer erarbeiteten, wie sehr bzw. wenig sich die Gesellschaft heute an Ereignisse der Kolonialzeit in Deutschland erinnert. Bei einem Quiz zum Kolonialismus überraschte uns (da kann ich wahrscheinlich im Kollektiv sprechen) die Auflösung sehr. Es enthielt z.B. Fragen wie „Wie groß ist der Teil der Erde, der in den letzten 500 Jahren unter kolonialer Herrschaft einer europäischen Macht stand?“ Antwort: Über 80% der Landflächen der Erde.

Da man, wenn es um Kolonialismus geht, Geschichte nicht wegdenken kann, widmeten wir einen großen Teil des Seminars „verflochtenen Geschichten“. In einem Padlet (einer Art digitaler Pinnwand) ordneten wir Bilder und historische Ereignisse in Tansania und Deutschland einander zu, setzten sie in den zeitlichen Kontext und erhielten von Christina weiteres Hintergrundwissen. In den Bildern ging es z.B. um die Maji-Maji-Allee in Berlin, ein, in Tansania ausgegrabenes, aber in einem deutschen Museum ausgestelltes Dinosaurierskelett und die Suaheli-Karawane im Leipziger Zoo.

Durch den ironischen Text „Wie man über Afrika schreiben sollte“ von Binyavanga Wainaina reflektierten wir die europäische Perspektive auf „Afrika“, die oft von Klischees und Stereotypen geprägt ist. In einer Gruppenarbeit erhielten wir durch die Erzählungen von Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern einen Perspektivwechsel.

Außerdem besprachen und diskutierten wir, wie wir heute mit kolonialer Ungerechtigkeit umgehen sollen und überlegten uns Handlungsoptionen.

Durch dieses vierstündige Webinar wurden uns wieder einmal neue Sichtweisen aufgezeigt, die in meinem Umfeld viele hitzige Diskussionen anregten.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Christina Pauls, dass sie uns erneut ein so informatives und wertvolles Seminar geboten hat. Wir freuen uns schon auf eine weitere Gelegenheit mit ihr zusammen unsere Augen ein wenig weiter zu öffnen und unseren Blickwinkel zu erweitern.

Magdalena Kersten Q11


 

"Wir sind doch nicht rassistisch - oder?"

Auch fast ein Jahr nach unserer Reise nach Tansania lassen uns und auch weitere Mitglieder der Tansania AG die Themen, mit denen wir auf der Reise konfrontiert wurden, nicht los: Weißsein, Rassismus, Kolonialismus, Privilegien, Vorurteile. Aber wir, wir sind doch nicht rassistisch. Oder?
Jeder von uns ist schon mal schwarzgefahren. Und in der Grundschule haben wir „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ gespielt. Sind wir damit rassistisch? Was ist Rassismus? Und was ist eigentlich kritisches Weißsein?
Besonders angesichts der aktuellen Ereignisse in den USA Themen und Fragen, die akuter nicht sein könnten, auch wenn wir das gerne mal verdrängen.

Bei unserem zweiten Seminar mit der BtE Referentin (Bildung trifft Entwicklung: eine bundesweite Plattform für Globales Lernen) Christina Pauls – diesmal allerdings gezwungener (aber gelungener!) Maßen online –haben wir uns also mit all diesen Fragen beschäftigt. Via Videokonferenz und einiger Websites haben wir zu rund zwanzigst am 24. Mai zweieinhalb Stunden lang gemeinsam diskutiert, reflektiert, gelernt und überlegt.

Was bedeutet Weiß zu sein eigentlich für uns? Bei einem Brainstorming mithilfe einer Wordcloud stand für viele im Mittelpunkt, dass es bedeutet, Privilegien zu haben. Es ist eine Bürde und Verpflichtung, hat etwas mit Kolonialismus und Rassismus zu tun. Es bedeutet Vorurteile, Macht, Chancenungleichheit, eine Sonderrolle und ist erstmal nicht veränderbar. Krasse Unterschiede, die sich auftun zwischen Menschen, die doch eigentlich gleich viel wert sind. Dadurch zeigt sich schon, dass „kritisches Weißsein“ so viel mehr als nur eine Hautfarbe ist – es ist ein System von Macht und Privilegien. Daher schreiben wir in dem Fall Weiß und Schwarz auch groß, um deutlich zu machen, dass es um Zuschreibungen innerhalb dieses Systems geht und nicht um „Farben“.


Und jetzt nicht „Na schön und gut, aber solchen Rassismus gibt es ja in Deutschland nicht. Also was machen wir nun aus der Erkenntnis?“ denken, denn sich dessen bewusst zu werden, ist schon ein ganz wichtiges Ziel des kritischen Weißseins. Denn es geht um eine Demaskierung der weißen Privilegien und Aufhebung ihrer Unsichtbarkeit und um ein Bewusstmachen der Zugehörigkeit zur dominanten Weißen Gruppe. Dass wir mit unserem einen kleinen Webinar die Welt nicht verändern können, ist uns klar, aber unsere eigene Welt verändert die Auseinandersetzung mit diesem Thema auf jeden Fall. Denn solche Themen gehen einem nahe, besonders Gespräche mit von Rassismus betroffenen Schwarzen Menschen und People of Colour wie Zouzou, dem Mann von Christina Pauls, mit dem wir uns bei dem Webinar auch unterhalten konnten und der von seinen Erfahrungen mit Rassismus hier in Deutschland erzählt hat, z.B. dass er unglaublich oft als einzige Person in einer großen Gruppe von Polizisten kontrolliert wird und ihm unterstellt wird, etwas gestohlen zu haben.

Irgendwann waren wir dann an einem Punkt, an dem man den Rassismus auch in Deutschland einfach nicht mehr leugnen konnten – das fängt im ganz Kleinen bei Wörtern wie schwarzfahren an (hier schwingt mit: schwarz = negativ) geht z.B. bei Kosmetikprodukten weiter, bei denen Foundation nicht in der Hautfarbe von Schwarzen Menschen und People of Colour zu bekommen ist bis hin zu mikroaggressiven Äußerungen wie beispielsweise der wiederholten Nachfrage an Schwarze Menschen und People of Colour „Woher kommst du wirklich?“.


Und dann haben wir uns doch die Frage „Und was machen wir nun mit unseren Erkenntnissen?“ gestellt – und gemeinsam nach ganz handfesten Lösungsansätzen gesucht, nach Wegen, wie wir im Alltag anders, vielleicht besser, damit umgehen können und sie auf einer digitalen Pinnwand gesammelt: Hingucken, reden, zuhören, aufklären, hinterfragen, sich immer weiter über Rassismus informieren, auf andere offen zugehen und sie freundlich behandeln, reisen und sich mit anderen Kulturen, Sprachen etc. auseinandersetzen, über den deutschen Kolonialismus z.B. auch in der Schule aufklären bzw. kritische Fragen dazu stellen und vor allem mit all diesen Dingen nie aufzuhören.

Denn wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern; wie es so schön mutmachend heißt. Genau das Gefühl hatten wir nämlich auch am Ende unseres Webinars – es macht Mut und Hoffnung, dass wir gemeinsam auf diesem Weg sind und ihn auch weiter gehen wollen.

Maren Mitterer, 10a


Quelle: Gesturing Towards Decolonial Futures (decolonialfutures.net)
 

Kick-off Workshop zum Kolonialismus

In unserem Kick-off Workshop zum Kolonialismus am Samstag den 7.12. mit Christina Pauls (Referentin bei „Bildung trifft Entwicklung“ und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung) haben wir uns mit den Privilegien des Weißseins beziehungsweise dem Weiß- oder Schwarz-Sein auseinandergesetzt.

Der Workshop begann damit, dass wir uns verschiedene Bilder, welche in Afrika aufgenommen wurden, angeschaut haben. Wir sollten uns ein Bild aussuchen, welches uns ansprach und gefiel. Zusammen beschrieben wir sie dann und äußerten uns kritisch dazu. Auf einem dieser Bilder war z.B. eine Frau, die auf einem Stuhl vor einem Haus saß und eine Zeitung las. Auf uns wirkte das Bild sehr gemütlich und einladend. Bald darauf kam aber auch der Aspekt auf, dass sich die Frau vor den Blicken und Fotos verstecken könnte. Viele sehen es als selbstverständlich an, in fremden Ländern Fotos von der Bevölkerung zu machen ohne sie jedoch zu fragen. Uns selbst würde dies auch nicht unbedingt gefallen. Auf einem anderen Bild war ein schwarzer älterer Mann zu sehen. Eine weiße Frau zeigte ihm ein Bild auf einem Fotoapparat. Zunächst waren wir alle der Meinung, dass es toll ist, dass die Frau dem Mann etwas zeigt und mit ihm etwas teilt. Doch schon bald kam die Frage auf, warum der Mann der Frau nichts zeigt? Oft sieht man nur wie weiße reiche Menschen schwarzen armen Menschen etwas zeigen. Aber warum sollte es nicht andersherum sein? Warum sollten wir nichts von anderen lernen, sie aber alles von uns? Diese Übung ließ uns unsere Vorurteile reflektieren und regte uns zum Nachdenken an.


Besonders beeindruckt hat uns auch folgendes Spiel: Jeder von uns erhielt einen Zettel, auf dem Informationen über eine Person standen, deren Rolle wir annehmen sollten. Wichtig war, dass zu Beginn niemand sonst von der eigenen Rolle erfahren sollte. Danach hatten wir mehrere Minuten Zeit, uns in unsere jeweiligen Rollen einzufinden. Wir sollten nicht nur die Identität dieser Personen annehmen, wir sollten diese Personen werden. Welche Gedanken sie haben könnte, wie ihre Kindheit wohl war, all diese Informationen standen uns frei, selbst zu entscheiden. Dann sollten wir uns in einer geraden Linie nebeneinander aufstellen. Es wurden Aussagen vorgelesen, und wenn wir dachten, dass sie auf uns zutrafen, sollten wir jeweils einen Schritt nach vorne treten. Die Aussagen waren beispielsweise: Du hast als Kind regelmäßig die Schule bis mindestens zur 9. Klasse besucht. Du lebst in einem Haus mit Telefon-, Fernseher- und Internetanschluss. Du kannst im Bus deine Sprache sprechen, ohne dass Fremde abwertend reagieren. Wenn du zur Polizei gehst, um einen Diebstahl anzuzeigen, wirst du dort fair behandelt. Du kannst mindestens einmal pro Jahr in einem beliebigen Land Urlaub machen.

Ich hatte die Identität eines reichen Unternehmers. Ich konnte bei fast jeder Frage einen Schritt nach vorne machen und am Ende war ich eine der vordersten. Als es dann keine Aussagen mehr gab, habe ich mich zum ersten Mal umgedreht, um zu sehen wo die anderen stehen. Sie waren im ganzen Raum verteilt, viele waren eher im hinteren Bereich und es gab auch welche, die keinen einzigen Schritt nach vorne gegangen waren. Während der Aussagen habe ich immer nur nach vorne geschaut, ich wollte immer mehr und ich habe mich gut gefühlt einen Schritt zu machen. Dabei habe ich nicht auf meine Mitmenschen geachtet, und wie sie mit jedem Schritt, den sie nicht gehen durften, trauriger wurden.

An unseren Plätzen stehend enthüllten wir unsere Identitäten. Die Personen, die weiter vorne standen, waren fast allesamt weiße Menschen, die wir wahrscheinlich als Mittelschicht beschreiben würden. Im Mittelfeld waren Personen, die bei uns den Stellenwert haben, ein schweres Leben zu haben, wie zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter mit einem Job im Supermarkt. Aber im Vergleich zu anderen waren sie ziemlich weit vorne. Die Personen, die ganz hinten standen, waren z.B. illegale Einwanderer und Arbeiterinnen in Fabriken in Bangladesch. Man konnte eine klare Abgrenzung zwischen unseren Charakteren erkennen. Danach haben wir uns hingesetzt und über diese Erfahrung geredet, die Personen die hinten bleiben mussten, erzählten wie einschüchternd und deprimierend es war, uns anderen zuzusehen, wie wir vorgegangen sind, während sie selbst nicht einmal einen Schritt machen konnten.

Leider ist dieses Spiel die Realität. Die privilegierten Menschen, zu denen ich uns definitiv dazuzähle, wollen immer mehr, während sie Menschen, die weniger haben, zurücklassen, auch wenn dies manchmal unbewusst geschieht. Wir sehen immer nur unser Ziel und wollen immer weiter nach vorne, sodass wir aus den Augen verlieren, was wichtig ist und zwar anderen zu helfen, die woanders geboren sind und deswegen vielleicht weniger Privilegen haben als wir. Wir können nicht beeinflussen, in welchem Land oder unter welchen Umständen wir geboren sind, und genau deswegen ist es wichtig, genau solchen Menschen zu helfen, da wir es auch hätten sein können.

Außerdem haben wir uns noch mit unseren Privilegien beschäftigt, wie z.B. fließendes Wasser und immer einen Nahrungsvorrat zu haben. Bei einer Art „Spiel“ bekam jede*r einen Zettel, auf dem eines unserer Privilegien draufstand. Privilegien, von denen uns vorher meist nicht bewusst war, dass andere Menschen auf der Welt sie nicht besitzen, wie z.B. das Recht für die eigene Meinung einzutreten oder sich seinen Beruf frei auszuwählen. Alles Sachen, von denen man denkt, dass sie selbstverständlich sind. Sie sind auch selbstverständlich, aber eben nur für uns, in anderen Teilen der Welt sind dies manchmal schier unerreichbare Privilegien.

Wir freuen uns schon darauf, uns in weiteren Workshops gemeinsam mit Christina Pauls noch weiter mit dieser Thematik und auch dem Kolonialismus selbst zu beschäftigen. Ganz herzlichen Dank für den tollen Workshop!

Katharina Kaindl, Magdalena Kersten und Liv Meiners, 10d


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