Wir, die Kritiker Society, sind eine jahrgangsübergreifende AG, die sich immer freitags nach 13:00 Uhr in der Bibliothek trifft. Wir lesen aktuelle Jugendbücher, diskutieren darüber und schreiben Buchempfehlungen. Außerdem beteiligen wir uns an Veranstaltungen wie der Münchner Bücherschau und machen Exkursionen, zum Beispiel zur Buchmesse in Frankfurt. Wenn du gerne liest und Gleichgesinnte treffen willst, dann wende dich an Frau Nonnenbroich - du bist herzlich willkommen!
Kanak Kids
von Anna Dimitrova
Dessislava ist Bulgarin, wohnt in Neuperlach und geht auf das St.-Anna-Gymnasium in der Münchner Innenstadt. Um dort nicht von ihren überwiegend deutschen und wohlhabenden Mitschülerinnen ausgegrenzt zu werden, trägt sie in der Schule eine blonde Perücke, blaue Kontaktlinsen und den Spitznamen Daisy. Von diesem Doppelleben wissen weder ihre Schulfreundin Chrissi noch die Eltern oder die Freundesgruppe in Neuperlach. Das geht so lange gut, bis Dessis neuer Nachbar Bo sie bei ihrer Verwandlung in der U-Bahn-Fotokabine erwischt und dann am nächsten Tag ausgerechnet in ihren Französischkurs kommt. Dessi befürchtet, dass er sie auffliegen lassen wird, aber auch Bo hat ein Geheimnis vor seinen Eltern, und so gehen die beiden eine anfängliche Zweckgemeinschaft ein, die sich nach und nach zu einer aufrichtigen Freundschaft entwickelt. Trotz der gegenseitigen Alibis wird es für Dessi immer schwieriger, ihre beiden Welten zu trennen und vor allem die Beziehung mit dem Klassenkameraden Ferdi vor ihren Eltern geheim zu halten.
Anna Dimitrova ist wie ihre Protagonistin Bulgarin und lebt in München. In ihrem Debüt-Roman hat die Autorin auch autobiografische Elemente eingebaut – blaue Kontaktlinsen hat sie beispielsweise in der Schule getragen, um dem westlichen Schönheitsideal zu entsprechen. So wird beim Lesen immer wieder deutlich, was wir in unserer privilegierten Gräfelfinger Bubble gerne mal vergessen: dass auch hier bei uns in München Menschen auf Grund ihres Migrationshintergrunds Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren.
Nathalie, Q12
Thematisch trifft Humorvolles auf Ernstes: Das Buch spricht sowohl die Themen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an als auch Selbstfindung und wie man lernt, sich selbst zu akzeptieren. Da „Kanak Kids“ schließlich ein Jugendbuch ist, thematisiert es auch Jugendprobleme wie die erste Liebe, Freundschaften oder auch Trennung der Eltern. Und trotz dieser ganzen ernsten Themen ist das Buch unterhaltsam, spannend, authentisch und oft sogar ziemlich lustig.
Amelie, 8c
Was ich auch richtig gut finde, ist die Sprache. Die Jugendlichen sprechen wie im echten Leben: locker, manchmal fies und auch mit Slang, den man von der Straße oder aus der Schule kennt. Dadurch wirken die Dialoge echt und nicht so, als hätte ein Erwachsener sie geschrieben, der denkt, er wüsste, wie Jugendliche reden. Für mich hat das die Figuren total glaubwürdig gemacht. Ich würde das Buch jedem empfehlen, der mal ein Buch lesen möchte, das ehrlich, nah dran und voll von echten Gefühlen ist.
Sina, 8c
Das Leben fing im Sommer an
von Christoph Kramer
Der autobiografische Coming-of-Age-Roman des Fußballweltmeisters Christoph Kramer fängt drei besonders bedeutungsvolle Tage des Sommers 2006 und deren Nachklang ein. Chris ist 15 Jahre alt und in seine Mitschülerin Debbie verliebt, die sich aber nicht für ihn zu interessieren scheint – bis zu einer Geburtstagsfeier in den Sommerferien, bei der Chris von Debbie auf einem Fußballplatz unter dem Sternenhimmel seinen ersten Kuss bekommt. Fußball ist Chris’ große Leidenschaft; er träumt davon, eines Tages als Profi auf dem Platz zu stehen. Mitsamt erstem Date und dem ersten großen Herzschmerz entwickelt sich die Geschichte zu einem rasanten Roadtrip-Abenteuer, bei dem Chris und sein bester Freund kuriose Freundschaften schließen, sich ein ums andere Mal aus riskanten Situationen retten müssen und schließlich sogar von der Polizei verfolgt werden.
Die Handlung erscheint zu Beginn beinahe ereignislos, aber genau diese beiläufigen Szenen fangen die Schönheit des Rekordhitze-Sommers ein. Während der Roman thematisch an Hard Land und Tschick erinnert, erzählt Kramers Protagonist vergleichsweise simpel und knapp, dabei aber doch ab und zu erstaunlich tiefgreifend und spricht so alle an, die auch gerade fünfzehn und verliebt sind oder es mal waren. Zwei große Zeitsprünge am Ende des Romans verdeutlichen die Vergänglichkeit von Freundschaften, von denen man dachte, sie würden für immer halten, und runden die Erzählung elegant ab. Oft bildhaft und stets authentisch dargestellt, fühlt sich das Lesen manchmal fast wie Filmschauen an, wenn man Chris’ Gedanken- und Gefühlschaos nur allzu gut nachvollziehen kann und sich selbst in diese schönen Sommertage voller Fußball, Freibad und Schuppendach-Übernachtungen hineinwünscht.
Jana Langeheine, 8b und Nathalie May, Q12
People Pleaser
von Anna Dimitrova
"Welches Leben? Dieses Leben, in dem wir an jeden denken, außer an uns selbst? Dieses Leben, in dem es völlig egal ist, wie es uns geht, solange wir behaupten können, dass alles gut ist?”
Nina ist, genauso wie ihre Mutter, ein sogenannter People Pleaser. Jemand hat kein Pausenbrot dabei? Er kann ihres haben! Jemand hat keine Zeit zum Hausaufgaben erledigen? Sie macht das schon! Sobald sie eine Gelegenheit sieht, anderen zu helfen, ergreift sie sie. Am liebsten aber hilft sie ihrer besten Freundin Teo, die seit einer Weile mit toxischen Jungs rumhängt, trinkt und sich immer weiter von Nina distanziert. Als der typische Bad Boy Aleks an die Schule kommt, weiß Nina, dass Teo auf ihn steht. Um ihrer Freundin zu helfen, geht Nina zur Therapie, wo sie sich als Teo ausgibt. Doch als sie anfängt, sich mit Aleks zu beschäftigen, merkt sie, dass mehr hinter seiner Bad Boy-Fassade steckt. Gleichzeitig kommt sie ihrem Rivalen Finn immer näher und erkennt, dass sie auch eigene Wünsche und Probleme hat. Es stellt sich die Frage: Was ist wichtiger, die Menschen, die ihr wichtig sind, oder sie selbst?
Das zweite Buch der Autorin Anna Dimitrova ist eine perfekte Mischung aus Unterhaltung und den ernsten Themen, mit denen wir uns in der heutigen Zeit immer mehr konfrontiert sehen. Es zeigt die Problematik des Alltags der “People Pleaser” auf, befasst sich aber zum Beispiel auch mit dem Thema Essstörungen. Der Wechsel zwischen Ernst und Unterhaltung ist bemerkenswert und sehr gut ausbalanciert. Es ist ein wunderschönes, witziges, teilweise trauriges Buch, das Spannung aufbaut und den Leser fesselt.
Wir empfehlen das Buch ab ungefähr 13 Jahren.
Angela Druzhkov (7b) und Amalia Liepert (6c)
White Bird von Raquel J. Palacio
Der Roman beginnt damit, dass Julian seine in Amerika lebende Großmutter Sara anruft und sie wegen eines Schulprojektes nach ihrem Leben im Zweiten Weltkrieg fragt. Sie erzählt Julian anfangs zögerlich von ihrer Kindheit und blickt mit vielen gemischten Gefühlen auf all das Geschehene zurück.
Sara lebt zunächst friedlich mit ihrer jüdischen Familie in Frankreich. Sie geht wie jedes andere Kind in die dortige Schule, ist abenteuerlustig und liebt es zu zeichnen. Dieser Friede wird plötzlich zerstört, als auf einmal Schilder in Läden oder Cafés hängen, die ankündigen, dass Juden dort nicht mehr erwünscht sind. Doch das bleibt nicht die einzige Veränderung. Immer öfter sieht man deutsche Soldaten und Fahnen mit den Hakenkreuzen der Nationalsozialisten in den Straßen Frankreichs. Eines Morgens wollen Soldaten die jüdischen Kinder aus den Schulen abholen und in Lager verschleppen. Sara flieht und bekommt unerwartete Hilfe von Julien, einem Jungen aus ihrer Klasse, den sie bis dahin immer ignoriert oder wegen seiner Behinderung mit ihren Freundinnen gehänselt hat. Er und seine Familie verstecken Sara mehrere ewig-dauernde Monate in einer kleinen Scheune, doch aller Vorsicht zum Trotz kommen ihnen die Nazis irgendwann auf die Spur…
Teilweise war das Buch trotz des flüssigen Schreibstils nicht leicht zu lesen, da man so in die Geschichte eingetaucht ist und man dauernd mit der Angst umblättern musste, dass Saras Versteck zwischen den Heuballen in der Scheune auffliegen würde.
Der Roman behandelt viele wichtige Themen und wir finden, jeder sollte das Buch gelesen haben, um mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Aber der Krieg ist nicht das zentrale Thema des Buches. „White Bird“ ist auf einer weiteren Ebene eine Liebesgeschichte, die sich langsam aufbaut und für die Ewigkeit bestimmt ist. In diesem wunderschönen Roman wird erzählt, wie es bei all dem Schrecklichen vielleicht trotzdem möglich ist, wertvolle Momente zu erleben.
Und dabei hat das Buch eine tolle Botschaft:
"Wenn du durch eine Zeit gehst, in der Freundlichkeit dich um alles bringen kann- um deine Freiheit, um dein Leben -, wird Freundlichkeit zum Wunder. Freundlichkeit ist alles. Ein Licht im Dunkeln."
„Das Böse wird sich nur aufhalten lassen, wenn gute Menschen sich dazu entscheiden, ihm ein Ende zu setzen.“
Anna und Jana, 7b
Nächte im Tunnel von Anna Woltz
„Kurz habe ich die unsinnige Hoffnung, er könnte besser sehen als die anderen. Dass er sieht, wer ich früher war. Dass er mich in Farbe sieht“,
... wünscht sich Ella, die Hauptfigur in dem Roman „Nächte im Tunnel“, nachdem sie Jay begegnet ist, in der Schlange anstehend vor dem Eingang zur U-Bahn, wo viele Menschen nachts Schutz suchen vor den Bombardements auf London während des Zweiten Weltkriegs.
Ella hatte Kinderlähmung, wovon ihr ein verkrüppeltes Bein blieb. Man kann ihre Frustration darüber, dass sie ein Jahr im Krankhaus verbringen musste und ihr Leben nicht genießen konnte, gut nachvollziehen. Aber Ella lässt sich trotz ihrer Krankheit nicht unterkriegen. Die Einführung ihrer neuen Freundin Quinn bringt einen interessanten Schwung in die Geschichte. Quinns rebellische Art, die sich in ihrem Kleidungsstil und ihrer offenen Meinungsäußerung zeigt, steht im Kontrast zu Ella. Die beiden Mädchen akzeptieren sich jedoch in ihrer Andersartigkeit und in dieser Freundschaft wird deutlich, wie wichtig Zusammenhalt und Verständnis füreinander in schwierigen Zeiten sind. Jay, der ebenfalls im Tunnel schläft und im Laufe der Geschichte eine immer wichtigere Rolle einnimmt, seine Hintergrundgeschichte und seine Beziehung zu Ella und Quinn tragen dazu bei, dass die Handlung spannend bleibt und überraschende Wendungen nimmt.
Alle Charaktere in diesem Buch sind einfühlsam dargestellt und interessant, auch weil sie sich im Laufe der Geschichte weiterentwickeln. Besonders beeindruckend fand ich die Art und Weise, wie die Autorin die Atmosphäre der Kriegszeit eingefangen hat. Die Beschreibung der Bombardements und der ständigen Angst vor den Angriffen vermittelt dem Leser ein gut vorstellbares Bild von den Herausforderungen, mit denen Menschen damals konfrontiert waren und leider auch heute immer wieder sind.
Marisa, 7b
Buchkritik
Hard Land von Benedict Wells - Deutscher Jugendliteraturpreis 2022 (Preis der Jugendjury)
Vorfreude. Eigenständigkeit. Verantwortung. Zugehörigkeit. Liebe. Angst. Verwirrung.
Mit diesen Gefühlen hat wohl jeder Teenager zu kämpfen. Es ist ein Wechselbad, in das man hineingestoßen wurde, ohne so richtig gefragt worden zu sein, vielleicht sogar ohne es richtig zu wollen. Auch Sam hat mit diesen Zweifeln in dem All-Age-Roman „Hard Land“ zu kämpfen.
Zu Beginn des Romans ist er fünfzehn und lebt in der Kleinstadt Grady, Missouri. Seine Mutter ist schwer krank, sein Freund Stevie ist aus Grady weggezogen und seine Sommerferien laufen Gefahr, absolut unaufregend zu werden. Als seine Eltern dann beschließen, ihn über die Ferien zu seinen gemeinen Cousins nach Wichita zu schicken, ist für Sam klar: ein Plan muss her! Wie gut, dass im Metropolis, dem kleinen Kino, eine Aushilfe gesucht wird. Zuerst ist Sam zwar skeptisch, bewirbt sich am Ende aber doch und bekommt den Job. Im Kino lernt er Kirstie, Cameron und Hightower kennen, die dort ihren letzten gemeinsamen Sommer vor dem College verbringen.
Damit ist er völlig neu in einer sehr eingeschweißten Freundesgruppe und tänzelt nun auf einem millimeterdünnen Drahtseil zwischen der Verantwortung, die ihn mit seiner todkranken Mutter verbindet, und der Freiheit, die ihm seine neuen Freunde schenken wollen. Er sehnt sich nach beiden Seiten, ohne von der jeweils anderen loslassen zu wollen. Benedict Wells beschreibt auf eine atemberaubend realitätsnahe Weise diesen Konflikt. Einen Zwiespalt, den jeder Jugendliche nachvollziehen kann. Denn einerseits will man nicht von seiner Familie – kindlicher Unbeschwertheit oder auch tragischer Verantwortung - loslassen, andererseits möchte man auch eigene Erfahrungen sammeln.
Der Autor findet in diesem Konflikt genau die richtigen Worte und nicht selten muss man, als Leser in Sams Alter denken: „Ja, kenn ich.“ Man baut sehr schnell eine innige Beziehung zu dem Hauptcharakter auf, sofort versteht man seine Probleme und nicht selten leidet man mit ihm mit. Da das Buch aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, werden Gefühle umso besser vermittelt. Die anderen Charaktere sind alle sehr besonders auf ihre Art, doch sie sind alle sehr liebenswürdig. Auch wenn sie von Grund auf verschieden sind und vielleicht im ersten Moment gar nicht zu dem verschlossenen Sam passen, so versteht man doch schnell, dass er diesen Kontrast dringend gebraucht hat. Geschickt entwickelt somit Benedict Wells die Unterschiede zwischen dem (naiven) Kind-Sein und dem Erwachsenwerden. Denn um groß zu werden, braucht es Mut. Man versteht langsam, dass nicht immer jemand da sein wird, um dich aufzufangen, doch manchmal muss man einfach den Sprung von der Klippe wagen, um sich weiterzuentwickeln.
Auch das Thema Liebe nimmt einen großen Bereich des Buches in Anspruch. Doch ohne einen kitschigen Liebesroman zu schreiben, erzählt der Autor von dem einen großen Gefühl, das Jugendliche begleitet. Nicht immer läuft alles nach Plan und teilweise ist man auch selbst geschockt darüber, was unser Herz im Stande ist zu fühlen. Dafür ist man nicht immer und auf gar keinen Fall sofort bereit.
Definitiv können wir aber sagen, dass wir uns in „Hard Land“ schockverliebt haben und uns diese sensible Möglichkeit der Identifizierung überzeugt hat. Daher empfehlen wir das Buch allen. Ja allen. Denen, die sich noch am Anfang der Pubertät befinden, denen, die mittendrin stecken, und denen, die diese Zeit schon hinter sich haben und sich einfach nochmal zurückerinnern wollen.
Emma (Q11) und Nathalie (10 c)
Buchkritik
Dunkelnacht von Kirsten Boie - ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2022
„Sechzehn Ermordete und kein einziger Mörder. Das soll man verstehen können.“
Diese Sicht auf ein historisches Geschehen beleuchtet und kritisiert Kirsten Boies Roman „Dunkelnacht“. Erfunden daran sind nur die Charaktere der Jugendlichen, Marie, Schorsch und Gustl, alles andere entspricht der Wahrheit und ist genauestens recherchiert. Die drei Jugendlichen haben eins gemeinsam: Sie wuchsen alle in der bayrischen Kleinstadt Penzberg in der Zeit des Nationalsozialismus auf. Dennoch könnten sie kaum unterschiedlicher sein und haben – wie die Erwachsenen - die verschiedensten Haltungen zum Nationalsozialismus eingenommen. Diese vielen verschiedenen Perspektiven setzt Kirsten Boie unkommentiert nebeneinander, so dass man als Leser zum Beispiel genauso Einblick in die Gedanken eines Oberstleutnants wie in die des ehemaligen, demokratisch gesinnten Bürgermeisters bekommt. Und eben auch in die der Jugendlichen, die eines der wahrscheinlich schlimmsten, brutalsten und dunkelsten Kapitel des Kriegsendes, eine Mordnacht in Penzberg miterleben. In dieser richteten Anhänger des Nationalsozialismus diejenigen, die auf das unmittelbar bevorstehende Kriegsende hofften, hin. Marie, Schorsch und Gustl handeln in dieser Nacht aus den Einstellungen heraus, die sie entwickelt haben. Aber auch die Verliebtheit von Marie und Schorsch entwickelt sich in diesen Tagen - ein Hoffnungsschimmer in dem Jugendbuch, das die Grausamkeiten, zu der die vom Nationalsozialismus beeinflussten Menschen bereit waren, schonungslos darstellt.
Deshalb ist es sicherlich nichts für schwache Nerven und auch erst ab 14 Jahren empfohlen. „Dunkelnacht“ ist aber ein wichtiges Buch gegen das Vergessen der grausamen NS-Taten und durch den Einblick in die Sichtweisen der Menschen kann es darauf aufmerksam machen, wie auch heute rechtsradikale Menschen denken, und uns auffordern, dagegen Partei zu beziehen.
David (6c)
Buchkritik
Ohne dich von Erna Sassen
Der 15-jährige Joshua ist ein sensibler, sehr emotionaler Junge mit einer besonderen Begabung fürs Zeichnen. Sein Skizzenheft ist sein ständiger Begleiter. Halt und Freundschaft findet er bei Zivan, die mit ihrer Familie einst aus dem Irak geflohen ist. Eines Tages muss sie jedoch wieder zurückkehren, denn sie soll in ihrer « Heimat » ihren eigenen Cousin heiraten. Joshua ist nun völlig alleine, denn sie antwortet nicht einmal mehr auf seine Nachrichten und es scheint, als wäre er völlig für sie gestorben. Nun bricht seine Welt zusammen, er muss von der Realschule auf die Hauptschule wechseln und er zieht sich ganz aus dem sozialen Leben zurück. Doch als einer der Schlägertypen der neuen Klasse sein Skizzenheft klaut und sich daraufhin eine seiner Zeichnungen tätowieren lassen will, ändert sich für Joshua die Situation und es entwickelt sich eine sehr gegensätzliche Freundschaft. Gleichzeitig begleitet Zivan Joshua täglich in seinem Kopf. Unmöglich kann er sie loslassen.
Da gerade in letzter Zeit wieder viel über die quasi nicht existenten Rechte der Frauen in Ländern wie Irak oder Iran gesprochen wird, ist dieses Buch wahnsinnig aktuell. Für die meisten von uns, die wir hier in einer „behüteten Blase“ aufwachsen, scheint es unvorstellbar, zwangsverheiratet zu werden oder im Zeichen der Ehre zu sterben. Dennoch können Mädchen, die hier bei uns aufgewachsen sind, aus diesen westlichen Vorstellungen so leicht, viel zu leicht wieder herausgezogen und zurück in ihre unterdrückende Heimat geschickt werden. So geschieht es auch Zivan. Da das Buch aus der Perspektive des Jungen Joshua geschrieben ist, wird vieles nur angedeutet bzw. nur so weit ausgeführt, wie er es selbst weiß. So wird dem Leser viel Raum zum Verstehen und Interpretieren des Inhalts gegeben.
Was mich darüber hinaus von dem Buch überzeugt hat, ist die Tatsache, dass Zivan nicht immer zu hundert Prozent im Mittelpunkt steht. Der zweite Handlungsstrang, die gegensätzliche Freundschaft zwischen den Schlägertypen und dem zarten Joshua, nimmt einen großen Teil des Buches ein. So wirkt die ganze Situation viel realistischer und näher.
Eine Besonderheit des Buches sind ohne Zweifel die vielen kleinen Zeichnungen, die überall, sogar auf dem Buchblock, abgedruckt sind. Dem Leser wird es somit erleichtert, sich in die Lage des Protagonisten Joshua zu versetzten, der durch seine Bilder lebt. Manchmal besteht ein ganzes Kapitel aus einer einzigen Skizze. So drückt ein heulender Wolf (mit dem sich Joshua identifiziert) viel mehr aus, als es ein Kapitel mit hundert Worten vielleicht könnte.
Ohne dich ist ein sehr eindringliches Buch, das einen nach der Lektüre noch lange begleitet!
Emma (Q11)
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